28.08.2023 Online von Leonie Marie Droste Et al.

Nachhaltigkeit braucht Gesetze: Für mehr Verbindlichkeit in der Umsetzung der Agenda 2030

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Bonn, 28. August 2023. In einem Monat steht der SDG Summit an, auf dem Staats- und Regierungschef*innen eine Halbzeitbilanz zur Umsetzung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung ziehen werden. Er ist ein wichtiger Moment, um neue Aufmerksamkeit für ein altes Problem zu generieren: Wie kann die Agenda 2030, mit ihrem umfassenden, aber rechtlich unverbindlichen Zielsystem, konsequent, kohärent und schnell umgesetzt werden?

Auf dem diesjährigen High-Level Political Forum on Sustainable Development (HLPF), das als entscheidendes UN-Gremium zur Abstimmung der globalen Nachhaltigkeitspolitik gilt und im Juli in New York getagt hat, um den SDG Summit vorzubereiten, wurde erneut deutlich: Trotz Willen und Motivation, die Agenda 2030 und ihre 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) voranzutreiben, scheint ihr Erreichen bis 2030 mit den bisherigen Strategien als nicht mehr realistisch. Die verheerenden Folgen globaler Krisen, wie der Covid-19-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine oder sich durch den Klimawandel häufende Naturkatastrophen, drohen die Relevanz der Nachhaltigkeitsagenda in den Hintergrund zu rücken. Neu entstandene und verschärfte Zielkonflikte sowie die Verknappung öffentlicher Budgets stellen zusätzliche Hürden für eine beschleunigte Umsetzung dar und führen dazu, dass die Fortschritte bei mehr als 50 Prozent der Ziele der SDGs unzureichend und bei 30 Prozent ins Stocken geraten oder sogar rückläufig sind. Um das zu ändern, braucht es eine Reihe transformativer Maßnahmen: massive Investitionen in die SDG-Finanzierung, eine stärkere Mobilisierung des Privatsektors sowie eine bessere Verankerung der Agenda 2030 in öffentlichen Diskursen. Gerade angesichts einer Begrenzung der finanziellen Ressourcen kommt jedoch auch einem verstärkt ordnungspolitischen Ansatz durch Gesetzgebung und Regulierung neue Bedeutung zu. Denn auch wenn angesichts der komplexen Interessenkonflikte auf multilateraler Ebene die bloße Existenz der Agenda 2030 als gemeinsames Steuerungsinstrument durchaus als Erfolg verbucht werden kann, muss diese, für ihre beschleunigte Umsetzung, weltweit durch rechtsverbindliche Normen und Gesetze rahmengebend werden.

Während auf internationaler Ebene beispielsweise bereits ein weltweit rechtsverbindliches Instrument zum Schutz von Menschenrechten in globalen Wertschöpfungsketten verhandelt wird oder durch die Europäische Union eine Taxonomie für nachhaltige Investitionen oder eine Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten vorgelegt wurden, braucht es auch auf nationaler Ebene ambitioniertere Initiativen. Deutschland, als Hocheinkommensland großer Verursacher negativer ökologischer und sozialer Spillover-Effekte weltweit, sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen – sowohl mit Blick auf die Schaffung neuer Gesetze, als auch auf die Implementierung dieser.

Die Ampel-Koalition hat sich selbst zum Ziel gesetzt, die Verbindlichkeit der Nachhaltigkeitsziele im konkreten Regierungshandeln und in der Gesetzeserstellung zu erhöhen. Ihr Koalitionsvertrag enthält bereits viele wichtige Vorhaben, wie die Aktualisierung des Bundesbodenschutzgesetzes oder die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Insgesamt ist aber auffällig, dass insbesondere in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit die Realisierung vieler Gesetze noch aussteht. Gerade jetzt, zu ihrer Halbzeit, sollte die Ampel-Koalition die Chance nutzen, sich auf diese zu konzentrieren, denn ihr Regierungserfolg wird sich auch an der Umsetzung ihrer Versprechen messen lassen. Was es dafür braucht: politischen Willen und Langfristorientierung, das Austarieren von Ziel- und Umsetzungskonflikten sowie eine starke Zivilgesellschaft.

Eine konkrete Initiative, die Potential für die gesetzliche Verankerung von mehr Nachhaltigkeit in Deutschland birgt, ist die Empfehlung eines Ressourcenschutzgesetzes in Form eines Stammgesetzes. Ein solches Gesetz würde übergeordnete, konkrete Ressourcenschutzziele sowie stoffgruppenspezifische Unterziele gesetzlich verankern und wäre mit dem bereits bestehenden Klimaschutzgesetz vergleichbar. Doch wie die erst kürzlich veröffentlichte Kritik des Expertenrats für Klimafragen am Klimaschutzprogramm der Bundesregierung zeigt: Es braucht ein hohes Ambitionsniveau, eine stabile Datengrundlage, und einen konsistenten Maßnahmenrahmen, damit diese Gesetze wirklich umgesetzt werden können.

Ein weiterer Aspekt, der über die bestehende Gesetzesfolgenabschätzung für nachhaltige Entwicklung hinausgeht und welcher weltweit zunehmend Bedeutung gewinnt, ist die Anerkennung der Natur als Rechtssubjekt – wie seit 2010 in Neuseeland der Fall. Schon 2008 wurden weltweit erstmals in Ecuador die Rechte der Natur in die Verfassung aufgenommen. Im Sinne des Peer-Learnings lösten diese Entscheidungen international viele weitere Gesetzesinitiativen und Gerichtsverfahren aus. Anders als jedes Unternehmen ist die Natur hierzulande (noch) kein Rechtssubjekt, doch die Anerkennung der Rechte der Natur wären ein wichtiger Schritt für die bessere Erreichung ökologischer Ziele.

Die Unverbindlichkeit der Agenda 2030 bleibt neben fehlendem politischen Willen, ausreichender Finanzierung und mächtigen Interessengruppen eine große Herausforderung mit Blick auf ihre zu langsame Umsetzung. Auch durch sie hat die Weltgemeinschaft in der Hälfte der Implementierungszeit nur einen Bruchteil der Ziele umgesetzt. Deswegen sollte vor allem jetzt, in den Wochen zwischen HLPF und SDG Summit, erneut Aufmerksamkeit auf diese Hürde gerichtet werden. Insbesondere angesichts des rapide schrumpfenden Zeitfensters können neue Gesetze für Nachhaltigkeit eine neue Dynamik in die unbedingt nötige beschleunigte Umsetzung bringen.

Der Autor / Die Autorin

Leonie Marie Droste

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Der Autor / Die Autorin

Tabea Waltenberg

Wissenschaftliche Mitarbeiterin