Communication is key – warum die Bundesregierung eine bessere Wissenschaftskommunikation braucht

Während die Corona-Pandemie in Deutschland wütete und viele Opfer forderte, wurde schnell deutlich: Bei den zahlreichen Protesten einiger Bevölkerungsgruppen – angefangen bei […]

Während die Corona-Pandemie in Deutschland wütete und viele Opfer forderte, wurde schnell deutlich: Bei den zahlreichen Protesten einiger Bevölkerungsgruppen – angefangen bei irritierten Bürger*innen, über Altlinke, Esoterik-Fans, Querdenker*innen, Verschwörungsgläubige bis hin zu Rechtsextremen – gegen die jeweilige Pandemie-Politik ging es nur am Rande um eine sachliche Kritik der konkreten Maßnahmen und ihrer Begründungen. Die Proteste richteten sich vielmehr gegen „das System“ aus Politiker*innen und Medien, die angeblich falsch entschieden, widersprüchlich informierten und voreingenommen berichteten. Und sie offenbarten einen tiefgreifenden Zweifel gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen: Die Gefährlichkeit von Corona-Infektionen wurde geleugnet, die Sinnhaftigkeit einer Impfung in Frage gestellt.

Während klar ist, dass einige derer, die bei den Aufmärschen Parolen brüllten, auch durch das größte Kommunikationstalent nicht mehr zu erreichen sind, hat die zu Teilen mangelhafte und unklare Risiko- und Gesundheitskommunikation der Bundesregierung jedoch auch nicht positiv zu einer Entschärfung der Situation beigetragen. Im Gegenteil: Das „Impfwirrwarr“, zu dem neben zu wenig Impfstoff und einer zu langsamen Impfkampagne auch unerreichbare Impf-Hotlines und große Uneinigkeit über den richtigen Zeitpunkt für Auffrischungsimpfungen gehörten, hat das Misstrauen vieler in das Handeln der Bundesregierung verstärkt. Statt einer Vertrauenskultur sind Skepsis und Verunsicherung aufgrund widersprüchlicher und unverständlicher Aussagen, die in Merkels Absage der Bund-Länder-Beschlüsse zur „Osterruhe“ 2021 gipfelten, bei vielen gewachsen. Anfang April hat auch der Deutsche Ethikrat die Kommunikation- und Informationsstrategie in einer Stellungnahme kritisiert[1].

Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Die Bundesregierung sollte die Art und Weise, wie sie wissenschaftliche Erkenntnisse und die Politik, die daraus folgt, gegenüber den Bürger*innen kommuniziert, fundamental korrigieren – nicht nur bei der Corona-Politik, sondern künftig auch im Rahmen der Klimapolitik. Denn: Communication is key.

Der Corona-Expertenrat sagt konkret, was schiefgelaufen ist: In seiner fünften Stellungnahme[2] im Januar 2022 kritisiert er das Kommunikationswirrwarr und fordert künftig von der Bundesregierung eine „reaktionsschnelle, evidenzbasierte, zielgruppen- und nutzerspezifische Risiko- und Gesundheitskommunikation“. Diese müsse wissenschaftliche Evidenz „einfach erklären, in Handlungsempfehlungen übersetzen und zur ersten und verlässlichen Informationsquelle“ für die Bürger*innen werden. Bislang gebe es in Deutschland keine Institution, die eine solche Art der Kommunikation koordiniere und umsetze. Dabei sieht der Expertenrat mit Hilfe der vier aufeinander aufbauenden Bausteine

  • Generierung des besten verfügbaren Wissens,
  • Übersetzung des Wissens in passende Informationsformate,
  • Verbreitung der kommunikativen Inhalte über multiple Informationskanäle sowie
  • Evaluation der Effekte und ggf. Anpassung der Strategie,

eine Möglichkeit, die Bereitschaft der Bürger*innen zu stärken, notwendige Maßnahmen in einer Krise mitzutragen. Ein überzeugendes Konzept, dass zu mehr Verständnis für politische Entscheidungen führen könnte.

Kritisches Hinterfragen ist zweifellos wichtig – in jeder Lebenslage. Problematisch wird es jedoch, wenn die gesunde Skepsis von Bürger*innen zu irrationaler Feindlichkeit gegenüber wissenschaftlicher Evidenz wird: Ohne das Wissen, dass Wissenschaft und Forschung über die Wirklichkeit liefern, kann eine Gesellschaft weder aus Fehlern in der Vergangenheit lernen, die Gegenwart verstehen noch Lösungen für die Zukunft finden.

In der Corona-Pandemie war die Politik auf die Bereitschaft der Menschen angewiesen, bei den beschlossenen Maßnahmen mitzumachen.

Was bei Corona gilt, gilt auch beim Kampf gegen die Erderwärmung: Ohne große Einschnitte und Verzicht im eigenen Leben sowie das Akzeptieren wissenschaftlicher Erkenntnisse ist sie schwerlich aufzuhalten. Dafür muss die Bundesregierung werben – und dort, wo es nötig ist, die Bürger*innen sozial unterstützen. Auch wenn es noch keine deutschlandweiten Großdemonstrationen gegen Klimaschutz und Nachhaltigkeit gibt, so richten sich die wissenschaftsfeindlichen Corona-Proteste implizit auch jetzt schon gegen jede Art zukunftsgewandter, staatlicher Intervention. Radikale Gruppen, die auf Wissenschaftsfeindlichkeit und Staatsverdrossenheit setzen, dürften nur darauf warten, Proteste gegen einen als ungerecht empfundenen Klima- und Umweltschutz zu instrumentalisieren.

Die Bundesregierung sollte sich unverzüglich darauf vorbereiten. Eine Chance könnte darin liegen, dass sie – aufbauend auf den vom Corona-Expertenrat vorgeschlagenen vier Bausteinen und analog zu der angedachten Institution für Risiko- und Gesundheitskommunikation – eine zentrale Kommunikationsplattform für die Klima- und Nachhaltigkeitskommunikation schafft. Insbesondere der vom Expertenrat empfohlenen Fokussierung auf einzelne Zielgruppen kommt dabei eine große Bedeutung zu. Um sie zu erreichen, ist es wichtig, in der Kommunikation auf unterschiedliche Bildungsgrade, kulturelle, sprachliche sowie altersabhängige Unterschiede in der Bevölkerung zu achten.

Darüber hinaus sollten öffentliche Forschungseinrichtungen auch mehr Mittel für die Förderung der Wissenschaftskommunikation erhalten. Auch wenn es ein erklärtes Ziel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ist, mehr Anreize für die Kommunikation wissenschaftlicher Forschungsergebnisse und die Wissenschaftskommunikation zu setzen sowie den Dialog mit der Gesellschaft auszubauen[3], reicht das nicht aus: Das „erklärte Ziel“ muss so schnell wie möglich zur Realität werden. Dafür muss das Budget für den Haushaltstitel „Wissenschaftskommunikation, Partizipation, Soziale Innovationen“ des Ministeriums, das im Jahr 2021 0,26% der Gesamtausgaben des BMBF ausmachte[4], langfristig eine zielführende und sinnhafte Verwendung finden.

Auch wenn Vorzeige-Initiativen wie zum Beispiel klimafakten.de schon ganze Arbeit leisten, braucht es auch von staatlicher Seite einen eigenen Plan, um die Bürger*innen mit einer guten, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Kommunikation zu informieren. Nur ihre ernsthafte Einbindung in die Debatten kann die gesamtgesellschaftliche Bereitschaft erhöhen, die anstehenden Veränderungen mitzutragen.


[1] https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-vulnerabilitaet-und-resilienz-in-der-krise.pdf

[2] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/2002168/ea5301f932dafa791129440858746e0a/2022-01-30-fuenfte-stellungnahme-expertenrat-data.pdf

[3] https://www.bmbf.de/bmbf/de/ueber-uns/wissenschaftskommunikation-und-buergerbeteiligung/wissenschaftskommunikation/wissenschaftskommunikation.html

[4] https://www.bundeshaushalt.de/#/2021/soll/ausgaben/einzelplan/3003.html

Der Autor / Die Autorin

Leonie Marie Droste

Wissenschaftliche Mitarbeiterin